Das 700 Prozent-Haus

Einführung

In den letzten Monaten habe ich ein paar Häuser persönlich besichtigt. Eine viel grössere Anzahl an Häusern habe ich über Videos oder das Internet kennen gelernt.

Kein Haus hat mich jedoch so beeindruckt wie dieses. Und mit keinem Haus habe ich mich so auseinandergesetzt wie mit diesem.

Heizen durch die Sonne

Soweit ich mich erinnern kann, habe ich dieses Haus zum ersten Mal im Journal Nachhaltig Bauen 2/2018 gesehen. Was mir gefallen hat, waren die einfachen, klaren Linien, die grossen Fenster mit dem Vordach und die simple Eleganz.

Wie hier beim Besuch des SRF erklärt wird wurde das Vordach so kalkuliert, dass im Sommer, wenn die Sonne hoch am Himmel steht, die Fenster keine direkte Bestrahlung haben, dafür im Winter, wenn die Sonne tief steht, die Strahlen und somit Wärme maximal genutzt wird. Storen werden im Obergeschoss genutzt, damit auch der Balkon beschattet werden kann.

Die Grafik links habe ich erstellt und ist meinem Projekt am nächsten. Dies funktioniert vor allem für Fenster nach Süden, was bei „Domus Diana“ meisten einschliesst. Überhänge halten auch die Wände trockener und das Haus von Beat Keller hat gute Überhänge rings ums Haus.

Das Hauptziel ist es jedoch, im Sommer zu verhindern, dass die Fenster im Süden oder auch der Innenraum direkt erhitzt werden. Im Winter, wenn die Sonne tiefer am Himmel steht wird dafür der Boden bis weit ins Haus durch die Sonnenstrahlen erwärmt. Deshalb sollte man es vermeiden, Möbel direkt ans Fenster zu stellen.

Weiter kann im Winter Energie gewonnen werden, indem ein dunkler Boden verwendet wird.

Was ist ein Passivhaus oder Minergie P Eco?

Minergie ist ein Schweizer Standard für den Hausbau, welcher vor allem Wert auf geringe Heizkosten für Gebäude legt. Minergie P ist ein Standard das wohl dem Passivhaus entspricht. Einer der Helden des Passivhauses ist Dr. Wolfgang Feist, welcher vor 25 Jahren sein Projekt realisierte. Vom Passivhaus Institut habe ich auch die Erlaubnis für die Verwendung dieser Grafik erhalten.

Meine fünf Säulen des Passivhauses sind: Wärmedämmung, Luftdichtheit, Wärmebrückenfreiheit, Komfortlüftung und Sonnenenergie. Viele dieser Säulen wirken zusammen.

Wärmedämmung bedeutet, im Winter die Wärme im Haus zu behalten und nicht an die kalte Aussenwelt zu verlieren. Im Sommer schützt eine Wärmedämmung vor der Hitze draussen und hält das Haus kühl. Wärmedämmung dient aber auch dem Schallschutz und ist zudem passiv, das heisst, sie verursacht keine Folgekosten und keinen Unterhalt. Ein gut gedämmtes Gebäude muss nicht geheizt werden.

Luftdichtheit verhindert den unkontrollierten Verlust von Innenluft ins Freie und umgekehrt. Gute Luftdichtheit ist natürlich auch ein Teil der Wärme- und Schalldämmung. Sie verhindert zudem, dass Staub, Gerüche, Insekten und Feuchtigkeit ins Haus kommen.

Dies bedingt jedoch auch eine Komfortlüftung. Die Luft wird von aussen angezogen, wohlmöglich durch den Untergrund gewärmt (im Winter) oder gekühlt (im Sommer), dann je nach Jahreszeit durch einen Wärmetauscher geführt. Damit wärmt die Abluft im Winter die Frischluft. Zudem wird die Frischluft gefiltert. Je nach Situation kann auch die Feuchtigkeit der Luft geregelt werden.

Wärmebrücken sind Bauteile welche Wärme ungewollt von aussen nach innen oder umgekehrt leiten. Diese sind zu vermeiden, damit das Gebäude im Sommer kühl und im Winter warm bleibt.

Die Sonnenenergie kann zur Stromerzeugung oder Heizung des Warmwassers oder des Gebäudes verwendet werden. Oftmals werden Photovoltaikanlagen für die Stromerzeugung mit Solarthermie (Warmwasser) kombiniert. In der Überbauung in der ich lebe, haben wir Gaskessel durch Solarthermie ersetzt und ich bin positiv überrascht.

Zurück nach Gerzensee

Auf dem Dach befindet sich ein 170.5 m² grosse Photovoltaik-Anlage die im Jahr über 34’000 kWh/a produziert. Das Haus benötigt dank einer äusserst effizienten Isolierung (U-Wert von Boden, Dach und Wand von rund 0.11 W/m²K) weniger als 5’000 kWh/a.

Um die Solaragentur.ch zu zitieren, produziert dieses Gebäude genug Energie um entweder fünf ähnliche Einfamilienhäuser mit Energie zu versorgen, oder mit einem Elektrofahrzeug die Erde sechs Mal pro Jahr zu umrunden.

Die Dachform wurde so gewählt, dass auch die Nordseite rentabel für die Stromerzeugung genutzt werden kann. Gemäss diesem Interview in der Berner Zeitung liefert die Südseite nur zehn Prozent mehr Strom als die Nordseite. Das Bild rechts wurde freundlicherweise von der Solaragentur.ch zur Verfügung gestellt und zeigt beide Seiten des Dachs.

Ob die geringe Schräge des Daches dazu führt, dass der Schnee länger liegen bleibt, ist noch abzuklären. Von anderer Seite habe ich gehört, dass Dächer mit einer Photovoltaikanlage kürzer beschneit bleiben als Dächer ohne.

Da im Winter eh weniger Energie gewonnen wird, macht es wohl kaum Sinn, den Schnee von der PV-Anlage manuell zu räumen.

Ein PlusEnergie Haus

Dieses Gebäude ist somit nicht nur ein Passivhaus, sondern auch ein PlusEnergie Haus!

Gerne hätte ich Herrn Keller noch ein paar Fragen gestellt. Eine wäre, ob eine Batterie vorhanden ist. In den mir vorliegenden Quellen habe ich nichts dazu gefunden und gewisse Formulierung lassen den Schluss zu, dass kein Speicher vorhanden ist.

Mein Projekt plane ich mit einer Batterie. Ökonomisch macht dies wohl keinen grossen Sinn, so werde ich wohl nur eine kleine Batterie beim Neubau verwenden. Jedoch werde ich Raum für Erweiterungen einplanen. Auch wird mein nächstes Auto noch ein Benziner sein, aber dessen Nachfolger wird elektrisch sein und in der Garage werde ich die Voraussetzungen für eine Ladestation bereits berücksichtigen.

Vorwärmen oder Vorkühlung der Aussenluft

Am Panoramaweg wird die Aussenluft durch ein 25 Meter langes Rohr unterirdisch angesaugt. Dadurch wird die Frischluft im Winter leicht gewärmt und im Sommer etwas gekühlt. Die Luft wird dann gefiltert und je nach Witterung durch einen Wärmetauscher geführt. Dadurch wird im Winter der Abluft Wärme entzogen und damit die Zuluft erwärmt. Die Luft wird dann im Haus verteilt und an belasteten Zonen wie WC, Bad und Küche wieder abgezogen. Ein Gerät wie der in Gerzensee verwendete aerosmart liefert zudem Warmwasser.

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Bauen mit Lehm

In diesem Youtube-Video von Matt Risinger lernt man viel über den Lehmbau. Im erwähnten Interview lobt Beat Keller den Lehm als Baustoff, sowohl wegen dem Geruch wie auch die Fähigkeit Wärme zu speichern. Die Architektin Michal Zelouf führt auf ihrer Homepage weitere Vorteile wie die Nachhaltigkeit und die Regulation der Luftfeuchtigkeit.

Persönlich bin ich noch nicht überzeugt, aber ich stehe dem Lehm auch nicht ablehnend gegenüber. Auf der Homepage der IG Lehm gibt es zusätzliche Informationen.

Eines der am bekanntesten Gebäude aus Lehm in meiner Umgebung ist das Ricola Kräuterzentrum in Laufen BL. Auf der Seite der IG Lehm gibt es dazu einen Bericht und auf der Seite der fabsolutions.ch eine PDF. Was mir am Lehm gefällt ist die warme Farbe und die Struktur.

Raumaufteilung

Das Haus hat zwei Etagen welche rund 300 m² umfassen. Der Haupteingang von der Strasse ist im Obergeschoss wo sich auch die offene Küche mit Ess- und Wohnzimmer befindet. Ein Büro und ein Gäste-WC runden das Angebot ab.

Im Untergeschoss befinden sich die Schlafzimmer, die Technik und wohl die Badezimmer. Letztere sind mit einer Duschrinne von Joulia ausgestattet, welche das warme Abwasser nutzt um das noch kalte Warmwasser vorzuwärmen.

Hier wurden die Schlafzimmer im Untergeschoss platziert. Das hat Vor- und Nachteile. Da Wärme steigt, sind die Räume im oberen Geschoss einiges wärmer. Im erwähntem Interview der Berner Zeitung wird eine Differenz von sieben Grad erwähnt. Der Besuch im Februar erwähnt 20 Grad im Schlafzimmer und 27 Grad im Wohnzimmer. Ein recht grosser Unterschied. Welche die beste Temperatur zum Schlafen ist, ist unklar. Kultur und Alter scheinen hier unterschiedliche Antworten zu geben. Zwischen sechszehn und zwanzig Grad werden oft genannt. Das Badezimmer ist damit doch ein wenig zu kalt. Dafür wären die Räume im Sommer angenehm kühl.

In meine bisherigen Zeichnungen habe ich mein Schlafzimmer und die beiden Gästezimmer ins Obergeschoss gelegt. Ich stelle mir aber die Frage, ob das so Sinn macht. Wäre es nicht besser, eines der Schlafzimmer ins Untergeschoss zu legen? Dies ist sicher eine Überlegung wert.

Fazit

Ein Kunstwerk soll inspirieren und zum Denken anregen. Was mir weniger gefällt, ist die Verwendung von Holz im Aussenbereich und dass alle Schlafzimmer im Untergeschoss sind.

Sowohl der Architekt wie auch der Bauherr haben keine Angaben zu den Kosten des Baus gemacht. Dies ist sowohl verständlich aber auch schade. Peter Schürch, der Architekt und Inhaber des Büros Halle58, behauptet, dass die Baukosten vergleichbar mit einem normalen Gebäude sind. Der Bauherr spricht von Mehrkosten. Ob diese durch die Energieeinsparungen kompensiert werden können, ist unklar.

Noch unentschieden stehe ich Lehm als Werkstoff gegenüber. Fragen stellen sich für mich auch, ob hier das machbare über das sinnvolle gesiegt hat. Welchen Nutzen hat das Label Minergie Plus im Verhältnis zu den Kosten und ist die Solaranlage nicht überdimensioniert. Tesla bietet mit ihrem System Solar Roof Photovotaikziegel und neutrale Ziegel an, so dass man nur den Teil des Daches Photovoltaik belegt, denn man braucht oder will und den Rest mit billigeren aber gleich aussehenden normalen Ziegeln abdeckt.

Positiv sind die raumhohen Fenster nach Süden, den Willen Energie zu sparen und die klaren Linien des Hauses.

Ich würde mich freuen, mit Herrn Keller wieder Kontakt zu haben und freue mich auf Eure Fragen.